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SIMONE - IN DEN WEIHNACHTSTAGEN
Es sind Weihnachtstage
vor dem Milleniumsende,
und ich, Simone, die 24-jährige Frau aus Gießen,
sitze an der Theke einer Diskothek.
Und ich trinke eine Pepsi mit einem Typ.
Der Typ, dem ich vor ein paar Stunden
einen runter geholt habe
und ihm so schön geblasen habe.
Lustvoll.
Brennend.
Ich sitze und starre.
Es geht mir gut.
Es geht mir nicht gut.
Es geht mir gut,
weil ich diesen Typ irgendwie mag.
Ich habe ihn lieb gewonnen -
gegen meinen Willen.
Den,
der sich nicht nur um seinen Schwanz kümmerte,
sondern ebenso mich aufgeilte -
lange.
Mit seinen vollen Lippen.
Mit seinen Fingern.
Bis in mir Orgasmuszüge ratterten.
Danach schob er zwei Pizzas rein,
und der frisch Bekannte deckte den Tisch mit Kerzen,
die knallrot und knallblau waren.
Ja, der Typ, der
neben mir sitzt, und dessen Schwanz ich vor 2 Stunden leergelutscht habe,
ist eigentlich ein netter Mensch,
der sich um die Gefühle der anderen kümmert.
Und es geht mir nicht gut,
wenn ich denke, dass ich morgen um 16.45 Uhr zurückfahren muss.
Mit dem DM 35, - Ticket.
Mit RB 2345.
Und ich weiß nicht,
wann ich diesen Typ nochmals sehen werde.
Und es sind Weihnachtstage,
die mich anekeln,
beängstigen, in Depression versetzen.
Und in den nächsten Tagen muss ich meine Eltern besuchen.
Denen ich gleichgültig bin.
Und ich muss sie dieses Jahr wieder besuchen -
unter dem Weihnachtsbaum
beim Weihnachtsmann.
Beide sind für mich grotesk geworden.
Mit ihrem Heucheln.
Mit ihren utopischen Versprechungen.
Egal!
Tatsache ist,
dass ich auch dieses Jahr
über Weihnachten nach Hause fahren muss,
wo mein einziger Trost meine Oma sein wird.
Die mir zuhört und mir oft heimlich was zusteckt.
Die Tage belasten mich -
finanziell und vor allem psychisch.
Ich habe wenig Geld.
Und meine Nerven sind nicht belastbar.
Die schwachen Nerven einer 24-jährigen Studentin,
die mit 17 vom Onkel vergewaltigt wurde,
und die ihren Eltern nichts bedeutet,
die wenig Geld hat
und jobbt und jobbt.
Und dabei ihren Prinzen sucht
und auf ihren Jungen wartet.
Da die Gefühle ähnlich sind -
mehr od. wenig.
Die Gefühle einer jungen Frau,
die sich einen Liebenden wünscht,
der hübsch, intelligent und romantisch ist,
und nicht nur über sich selbst redet.
Na ja, es sind Weihnachtstage,
und ich sitze an der Theke mit diesem Typ,
den ich vor kurzem feurig geliebt habe.
Seine blauen Augen.
Seine Körperglieder.
Und ich muss morgen zurückfahren.
Mit dem Zug - mit RB 2345.
Ohne diesen Typ, dessen Eitelkeit
täuscht - wirklich!
Und dann nach ein paar Tagen
muss ich nach Hause fahren.
Davor graust es mir.
Das sind halt meine Weihnachtstage.
Ich bin Simone, die aus Gießen.
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